review februar 2013

 


Preuß ´n König Eruption    Fulldresser - Topteil mit exotischer Technik

 

Nettes Wortspiel: Die Macher dieses abgefahrenen High-Tech-Röhrentopteils heißen Gunnar Preuß und Harald König, Preuß und König, Preuß‘n König ... lol die konnten ja gar nicht anders. Was die beiden da auf die Beine gestellt haben, sorgte schon auf der letzten Messe in Frankfurt für Aufsehen. Ein bisschen Fine-Tuning musste das Team aber noch betreiben, bis es soweit war, dass wir das Unikum sezieren konnten/durften. Was für ein Monster, sauschwer, und gespickt mit allen Schikanen. Keule, kannst mal helfen tragen

Text Ebo Wagner

Das Team hat eine kühne Idee in die Tat umgesetzt. Eine Eintaktendstufe, sonst nur bei kleinen, schlichten Amps wie z. B. dem Fender Champ zu finden, mit 100 Watt aus einer Röhre! Die sonst üblichen Röhren kommen dafür natürlich überhaupt nicht in Frage. Im Eruption sorgt deshalb eine höchst exotische Type für die Leistung: die 833C. Sie kommt ursprünglich aus der Hochfrequenztechnik. wo sie als Senderöhre eingesetzt wird.
Wer solche Projekte startet, muss natürlich die entsprechende Qualifikation mitbringen. So ist Harald König ausgebildeter Radio- und Fernsehtechniker und führt seit fast 20 fahren in Berlin ein eigenes Service-Unternehmen für Musikelektronik. Parallel hat er vor einiger Zeit begonnen, High-End-Verstärker und Effektgeräte in Röhrentechnik zu entwickeln. Gunnar Preuß ist Elektroniker und Diplom- Ingenieur für Maschinenbau. Er hat Erfahrung in der Veranstaltungstechnik, ist ebenfalls im Reparaturservice tätig und entwickelt wie sein Kompagnon Röhren-Preamps und Röhreneffektpedale. Bevor wir loslegen sei zur Information noch gesagt, dass Preuß'n König auch auf den Amp abgestimmte 4x12-Boxen anbietet. Luxus-Bauweise mit 18 mm starkem Birken-Multiplexholz, Fingerzinkung, obere Speaker schräg gestellt, Steckrollen und abnehmbares Frontgitter, Bestückung wahlweise mit G12T-75 oder Vintage 30 von Celestion.

Konstruktion
Puh, nach dem Auspacken war ich vorübergehend fünf Zentimeter kleiner: 33,5 Kilogramm in diesem für nur eine Person doch etwas unhandlichen Format! Wie kommt's? Nun, die Technik bedingt die Verwendung besonders massiger Transformatoren, und Eisen wiegt halt. Ein bisschen macht auch der zusätzliche Aufwand aus, der nötig ist, um die im Betrieb sehr heiß werdende 833C-Röhre zu kühlen. Sie steht, schwingungsgedämpft aufgehängt in einem eigenen, sie abschirmenden Blechkasten, hinter ihr auf dem Chassis ein großer Lüfter, der Wärme absaugt. Im Gehäuse ist an einer Lufthutze ein kleinerer Ventilator montiert, der dem riesigen Glaskolben Frischluft zuführt. Fragt sich der Laie, warum jemand so viel Umstände betreibt. Es gibt doch genügend Röhrenverstärker, die mit viel weniger Aufwand 100 Watt rausdrücken. Nun ja, beim Konzept der Endstufe geht es nicht primär um Leistung, sondern um die Tonkultur. Dass eine Triodenröhre verwendet wird und die Endstufe im Eintaktbetrieb arbeitet, folgt dem Grundsatz, das Signal qualitativ auf dem höchsten Niveau zu halten. Die Triode unterstützt dies mit ihren vorwiegend geradzahligen Oberwellen, die das Ohr als wesentlich angenehmer empfindet als die ungeradzahligen der Pentode (z, B. Standardbeschaltung der EL34). Der Eintaktbetrieb wiederum ist vorteilhaft, weil das Signal nicht in eine positive und eine negative Halbwelle aufgetrennt und am Ausgangstrafo wieder zusammengesetzt werden muss; Dynamik und Feinzeichnung profitieren davon. Damit aber nicht genug haben Preuß und König dem Eruption auch noch aktiv arbeitende Klangregelungen spendiert. Diese arbeiten mit sogenannten Gyratoren, Schaltungseinheiten, die u. a. mithilfe von ICs Spulen nachbilden, und gebraucht werden um nach Art einer Frequenzweiche das Signal in mehrere Frequenzbänder aufzutrennen.
Ein Blick auf die Frontplatte verrät: Der Amp hat nicht weniger als sechs separate Kanäle zu bieten, die stufenweise im Vorverstärkungsniveau ansteigen, Zweimal Clean, zweimal Crunch, zweimal Lead. Clean-1 hat nur einen Volume-Regler, die übrigen zusätzlich ein Gain-Poti. Clean-1 bis Crunch-2 verfügen jeweils über eine Dreibandklangregelung (Low, Mid, High). Die beiden Lead-Kanäle sind aufwendiger gestaltet, da sie nicht einen, sondern gleich drei Mittenregler haben (LoMid, Mid, HiMid). An dieser Stelle hat der Eruption eine besondere Spezialität zu bieten. Die Funktion der Klangregelungen ist variabel, weil die betreffenden Bauteileplatinen über Steckkontakte austauschbar sind. Custom-Modifikationen, Preuß'n König passt den Amp in diesem Punkt auf Wunsch an die Bedürfnisse des Users an.
In den Crunch-Sektionen kann eine BoostFunktion aktiviert werden. Rechts außen neben den Schaltern Power und Standby liegen zwei alternativ anwählbare Master-Volumes (Details siehe. Rubrik „Schalten"). Zehn LEDs in verschiedenen Farben sorgen dafür, dass man über den Betriebszustand im Bilde bleibt.
Hinten geht es genauso hoch her wie vorne. In der Mitte ziehen fünf FX-Wege die Aufmerksamkeit auf sich. Einer ist als Master definiert, die andern vier gehören zu den Kanälen Clean, Crunch, Lead-1 und Lead-2. Wahlweise können (Mini-Switch) die beiden Lead-FX-Wege zusammengefasst wer-den. Für jeden Einschleifweg steht ein Send-und ein Mix-Regler zur Verfügung, womit universelle Funktion garantiert ist, eben auch die Option serieller oder paralleler Anordnung. Der Eruption hat des Weiteren einen Tuner-Out zu bieten, einen im Pegel regelbaren Line-Out mit Phasenunikehr-schalte, und zwei Anschlüsse, die den Signalweg zwischen Preamp (-Out) und Power-Amp (-In) auftrennen. Diese als zusätzlichen globalen Einschleifweg zu nutzen ist nicht ohne Weiteres möglich, da das Signalniveau deutlich über 0 dB / 775 mV liegt. Rechts außen sehen wir fünf Lautsprecherausgänge (2x 4, 2x 8, 1x 16 Ohm), gegenüber die Netzbuchse und den XLR-Anschluss für das zum Lieferumfang gehörende Schalt-Board. Und dann ist da noch der ominöse Regler mit der Bezeichnung Dynamic-Level. Was der wohl macht? Er kontrolliert die eingebaute Lightshow. Ohne Quatsch, die Sicheln (stilisierte Schallwellen) in der Frontplatte sind von hinten beleuchtet und folgen in der Leuchtstärke wahlweise synchron der Dynamik des Gitarrensignals; hehe, etwas für Poser. Wer es dezent mag, das Licht kann man abschalten. Der Eruption wird natürlich (noch?) nicht in bedeutenden Stückzahlen hergestellt. Daher entsteht fast alles in Handarbeit bzw. als Einzelanfertigung. Man sieht dem Amp in jeder Beziehung an, dass Preuß und König auf maximale Solidität aus sind, Ein optisches Highlight sind die Metallpanele an Front und Rückseite, da sie eingravierte Beschriftungen tragen. Im hochstabilen Chassis geht es dicht gedrängt zu, Platinenbauweise, Leitungsführung über Steckkontakte, überall hochwertige Bauteile, seitens der Verarbeitung findet sich kein Anlass zu Kritik+ Interessantes Detail im technischen Design: Der Eruption braucht für die Ansteuerung der 833C ein Duett der 6550-Röhre, die hier aber keine Leistung bringen müssen., sondern wie Vorstufenröhren beschaltet, quasi verschleißfrei arbeiten. Womit wir beim Thema Wartung sind. Preuß’n König gibt an, dass die 833C im Eruption extrem langlebig ist, „mindestens drei-bis viermal länger hält als die üblichen Pentoden....", und eisenhart stabil Läuft, also der Betriebspunkt nicht wandert. Die Verfügbarkeit ist kein Problem, da die Röhre aktuell noch produziert wird. Sollte sie ersetzt werden müssen, kostet sie nicht viel mehr als ein Duett der hochwertigen Svetlana "Winged C"-EL34, nämlich derzeit z. B. bei Tubeampdoctor ca. € 118.


Schalten
Das Schalt-Board gehört wie gesagt zum Lieferumfang, Man muss es auch immer dabei haben, weil ohne dies nicht einmal die Kanäle anwählbar sind — manuelle Schaltmöglichkeiten gibt es an dem Amp nicht.
Das Metallgehäuse ist superstabil, hat wie der Amp gravierte Beschriftungen, und ist perfekt bedienbar, u. a. weil die hintere Schalterreihe gegen die untere versetzt eine Etage höher liegt. Gummi-Pads an der Unterseite verhindern, dass das Pedal rutscht. Als Statusanzeige bilden die sehr hell leuchtenden blauen LEDs (Master wechselt blau/Weiß) für die Praxis ein Optimum. Die Verbindung zum Amp erfolgt über dreipolige XLR Anschlüsse, d. h. man kann hier ganz normale Mikrofonkabel verwenden und so den Kabelweg nach Wunsch verlängern. Das Pedal hat zwei XLR-Buchsen, sodass man es wahlweise links oder rechts andocken kann. Eine MIDI-Steuerung ist im Amp selbst nicht vorgesehen, Preußin König bietet stattdessen für ca. 150 ein externes Interface an, das man z. B. im Reck unterbringen könnte. Mit dem Board lassen sich in der unteren Ebene die Kanäle anwählen und das Master. Volume. Oben schaltet man die FX-Wege und kontrolliert die Mute-Funktion. Um den bei Relais fast unausweichlichen Nebengeräuschen aus dem Wege zu gehen, wurde dem Amp die Option spendiert, Umschaltungen wahlweise unmittelbar erfolgen zu lassen (mit gewissen Clicks und Klacks) oder etwas zeitverzögert, wobei der Signalweg für eine kurzen Moment stumm gestellt wird; da knackt dann gar nix.


Praxis
Die 8630 Im Audio-Bereich zu verwenden, ist keine ureigene Idee von Preußin König. lm High-End-Segment der HiFi-Branche ist diese Röhre schon länger erprobt, akzeptiert und geschätzt. Vielleicht ging von da die lntialzündung aus? Wie auch immer, die Anforderungen an einen Gitarren-Amp sind ganz andere, ohne intensive eigene Forschungen konnte der Eruption insofern nicht konstruiert werden. Besondere Regeln in der Handhabung muss der User infolge der exotischen Technik nicht einhalten. Es scheint lediglich angebracht, den (schweren) Amp, wenn man richtig auf Tour geht, in einem Case zu transportieren.
Um gleich auf den Punkt zu kommen; Der Eruption macht seine Versprechen wahr. Er hat in allen Betriebssituationen eine super schnelle präzise Ansprache, mit sehr hoher Dynamik, hat im Ton viel räumliche Tiefe und klingt sehr transparent. Auffällig ist, dass er nicht nach einem bestimmten (lauten) Arbeitspunkt lechzt, sondern In einem weiten Bereich gleichbleibend ausgewogen arbeitet. Es offenbart sich insofern kein "Sweet Spot". Wenn subjektiv dieser Eindruck entstünde, dann primär, weil vielleicht das Cabinet bei geringen Lautstärken nicht aus den Hufen kommt.
Die genannten Grundeigenschaften sind im musikalischen Kontext wertvoll, aber nicht universell für jedermann tauglich_ Schon wegen der schnellen, impulsfreudigen Ansprache dürften die erklärten Vintage-Jünger das Thema ad acta legen. Es kommt nämlich hinzu, dass sich der Eruption freudig den oberen Frequenzbereichen hingibt, und so tendenziell zu einer gewissen Schärfe neigt, die homogen zur Sound-Formung passt, nicht giftig wirkt, aber mit warmen Retro-Klängen kaum vereinbar ist. Umsomehr passt das Benehmen für resolutere Stilistiken, sagen wir mal ab Maroon 5 oder Foo Fighters aufwärts. Der Grund für diese Maßgabe ist die offensiv klingende Distortion. In den Verzerrungen liegt immer ein gewisses Sägen. was nicht im Geringsten negativ gemeint ist, sondern eben den Charakter in eine moderne Richtung prägt.
Die Kanäle schlagen im Modus-1 jeweils ein schlankes Timbre an, während die Variante-2 wesentlich voluminöser klingt. So präsentiert sich Clean-1 drahtig und betont brillant, Clean-2 produziert mehr Bass, mehr Wärme, bleibt dabei aber überaus präsent, und kann bereits sehr schön feine Overdrive-Verzerrungen erzeugen. Crunch-1 und -2 ergänzen sich mit ihren Boost-Schaltern kongenial und bieten ein extrem breites Spektrum an Sound-Farben, weit über Crunch hinaus bis in den Distortion-Bereich Was natürlich auch damit zusammenhängt, dass diese aktiven Klangregler ein ungleich höheres Potential freimachen, als die gewohnten passiven Pendants. Bei geeigneter Konstellation, vorsichtigem Dosieren der High-Potis und z. B. Greenbacks als Speaker, erzeugt der Eruption in den Crunch-Modi charakterstark warme Blues-Klänge. oder bissiger den SRV-Style bzw. Poppa-Chubby-Klänge. Gleichwohl mit einer eher britischen Ausrichtung.
Beim Wechsel in die Lead-Sektionen ändert sich die Ausprägung der Verzerrungen selbst, ihr Tonfall, wenig. Gain gibt's nun aber im Überfluss, das Signal ist voluminös und kraftstrotzend. Lead-1 und -2 sind beide harte obertonfreundliche Rocker, die auch sehr gerne ins Metal-Metier wechseln. Eigentümlich aber, dass diese sehr heißen Kanäle recht dezent mit den Bässen umgehen. Ansonsten sind die aufwendigen Klangregelungen der erwartete Hammer. So facettenreich kann man die Mitten bestenfalls noch bei Engls Steve-Morse-Topteil abstimmen. Alles andere auf dem Markt kann damit nicht konkurrieren. Insofern sind die Fähigkeiten der Lead-Kanäle überragend weit gefächert. Zumal, wie oben schon gesagt, der Eruption jederzeit seine bestens entwickelte Transparenz und Dynamik wahrt, sozusagen einen kühlen Kopf behält.
Seine Eingeweide sind da ganz anders drauf. Die 883C produziert extreme Wärme, nein Hitze; wenn der Amp läuft, kann man Winters im Wohnraum original die Heizung abdrehen. Es wird trotzdem ruckzuck mollig warm. Ist das ein Nachteil? Nun, das muss nun jeder selbst für sich entscheiden..
Ein wirklich relevantes Manko liegt in den FX-Wegen. Grundsätzlich arbeiten die gleichzeitig im Send und Return geschalteten Loops sehr gut, mit perfekter Signalqualität.. Im parallelen Betrieb wird aber das Originalsignal mehr oder weniger geschwächt, abhängig davon wo der Mix-Regler steht. Hat zur Folge, dass beim Einschalten des FX-Wegs der Sound leiser wird und beim Abschalten wieder hochkommt, ungeschickt. Um das aber auch zu betonen: Im seriellen Betrieb sind Einschleifwege trotz leichter Unterschiede in den Grundpegeln unkritisch.


Alternativen
Es gibt durchaus potente Mehrkanal-Amps, die dem Eruption theoretisch die Kundschaft streitig machen könnten. Man denke an den Urvater dieser Spezies, den legendären VH-4 von Diezel, oder den tonal sehr austrainierten und variablen Roadking von Mesa-Engineering. Noch vor der Ausstattung spielt allerdings der Sound die entscheidende Rolle. Von daher betrachtet, steht der Eruption mit seinem eigenständigen Charakter ohne wahre, d. h. wirklich ähnliche Mitstreiter da.

Resumee
Respekt, Preuß und König haben ihr ambitioniertes Projekt elegant umgesetzt. Der Eruption brilliert mit einer besonders klaren und dynamischen Tonformung. Das Sechskanal -Konzept sorgt in Verbindung mit den aktiven Klangregelungen für ein Höchstmaß an Variabilität. Die Schwächen in der Funktion der FX-Wege bei parallelem Betrieb kann das Team sicher noch ausräumen. Dann steht das solide gefertigte Schmuckstück erst recht souverän da.Wenn man bedenkt, wie viel manche (konzeptionell schlichtere) Boutique-Amps kosten, ist das Preis-/Leistungsverhältnis unkritisch.


Plus

• Konzept, umfangreiche Ausstattung
• geringe Nebengeräusche
• Verarbeitung, Qualität Bauteile. gutes Handbuch

• markante Sounds, extreme Variabilität
• schnelle Dynamik, sensible Ansprache
• harmonisches Zerrverhalten
• Transparenz, Darstellung von Details
• hohe Leistungsausbeute 

Minus 
• FX-Wege: Signalpegel bei parallelem Betrieb