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Preuß ´n König Eruption  -  KING OF THE AMPLIFIERS

Dreihundert Jahre alt wäre in diesem Jahr König Friedrich II. von Preußen geworden. Mit zahlreichen Veranstaltungen und Ausstellungen wird im Jubiläumsjahr des Alten Fritz gedacht, und das nicht nur in Potsdam, wo Friedrich der Große sein Sanssouci mit der barocken Gartenanlage und dem alles überragenden Neuen Palais schuf. Unter dem Motto „Royal Tube Sound“ haben auch zwei Berliner Amp-Entwickler das Friedrichjahr zum Anlass genommen, um ihr völlig neuartiges und technisch außergewöhnliches Röhrentop der Öffentlichkeit zu präsentieren.


Von Peter Schilmöller

Gunnar Preuß und Harald König sind zusammen Preuß ´n König – ein klasse Wortspiel, das königliche Erhabenheit und deftigen Rock´n´Roll in einen gemeinsamen Kontext stellt. Abgesehen vom sensationellen Timing, mit dem die beiden Soundtüftler und ihr Amp pünktlich zum Jubiläumsjahr des Preußenkönigs auf dem Markt einschlagen, treffen die zwei gegensätzlichen Assoziationen kongenial auf ihre erste gemeinsame Kreation zu. Denn der Eruption, so der Name des Verstärkers, ist ein wahrlich mächtiges Rock Tool, wie es die Gitarristenwelt bis dato noch nie gesehen haben dürfte.

Ein paar Eckdaten gefällig? Sechs vollkommen unabhängige Kanäle (zweimal Clean, zweimal Crunch, zweimal Lead), zwei unterschiedliche und unmittelbar abrufbare Mastervolumen, insgesamt fünf schaltbare Effekteinschleifwege – das ist doch mal eine Ansage. Das Top ist mit knapp fünzig Potentiometern gespickt und bietet eine solche Fülle von Einstellmöglichkeiten, dass es einem fast schwindelig wird.

Außergewöhnlichstes Feature des Eruption dürfte jedoch die Single-Ended-Endstufe mit einer einzigen, riesigen 833C-Endröhre sein. Die 833 ist eine Triode, die als Senderöhre für den Einsatz in Radiostationen entwickelt wurde und dort im Dauerbetrieb mit 400 Watt Anodenleistung belastet wird. Für den Eruption entwickelten die zwei Berliner eine Endstufenschaltung in Single-Ended-Technik, die mit Hilfe der 833-Endröhre bis zu 100 Watt Ausgangsleistung bei reinem Class-A-Betrieb ermöglicht – ein absolutes Novum in der Gitarren-Röhrenampszene.


Keine halben Sachen
Der Eruption ist ein Amp der Superlative, und das keinesfalls nur wegen seiner deutlich über dreißig Kilogramm Kampfgewicht. Man muß kräftige Arme haben, um das Top ganz allein zu hieven – wer viel spielt und sein Equipment allein transportiert und aufbaut, könnte durchaus hin und wieder ins Fluchen geraten. Doch die außergewöhnliche Endstufenschaltung erfordert nun mal einen hohen Energieaufwand, und der lässt sich nur mit einem üppig dimensionierten Netztrafo und Ausgangsübertrager realisieren.
Schon die gesamte Erscheinung des Eruption lässt auf Anhieb erkennen, dass seine Entwickler die Grenzen des Machbaren in der Gitarrenverstärkertechnik ausloten wollten. Gunnar Preuß (Elektroniker und Diplom-Ingenieur für Maschinenbau und Automatisierungstechnik) und Harald König (ausgebildeter Radio- und Fernsehtechniker und studierter Musiker) sind selbst praktizierende Musiker – wenn auch derzeit eher als Hobby nebenher – und haben etliche Jahre Erfahrung als Servicetechniker für Musikelektronik.
Durch unzählige Reparaturen, Modifikationen und ihre eigene Bühnenerfahrung haben sie ein umfassendes Wissen um die Wünsche, Sorgen und Träume der Musiker angesammelt. Doch nicht nur das. „Es ist wohl der Traum eines jeden Technikers, auch einmal etwas Eigenes zu bauen“, erzählt Harald König. Er selbst entwickelte unter dem Label Tubeampmanufactur unter anderem bereits hochwertige Hifi-Röhrenverstärker, sein Mitstreiter Gunnar Preuß stellt mit seiner Marke GP-Lightstone Röhrenpreamps und –effektgeräte für Gitarristen und Bassisten her.

Es war von Anfang an klar, dass das gemeinsame Projekt der beiden etwas ganz besonderes werden sollte. Nachdem König und Preuß die überdimensionierte 833-Senderöhre für sich entdeckt hatten – die übrigens problemlos bei einschlägigen Röhrenhändlern erhältlich und in etwa so teuer wie ein selektiertes Quartett Endstufenröhren ist -, war die Idee für das außergewöhnliche Endstufenkonzept geboren. „Als sich dann nach und nach herausstellte, dass der Amp sowieso recht schwer werden würde, entschlossen wir uns, auch bei der Anzahl der Kanäle und der Ausstattung keine halben Sachen zu machen“, erzählt Harald König. Gesagt, getan.

Der Sound der Endstufe
Den meisten soundbewussten Gitarristen ist ohnehin klar, dass auch die Endstufe eines Röhrenamps entscheidenden Anteil am Klang hat. Warum aber so viel Aufheben um die Single-Ended-Schaltung? König und Preuß geben bereitwillig Auskunft: „Single-Ended ist die derzeit einzige Schaltungstechnik, bei der das Gitarrensignal nicht in eine positive und eine negative Halbwelle aufgeteilt und dann wieder zusammengesetzt, sondern als komplette Einheit verstärkt wird. Somit bleibt das Gitarrensignal vom Instrument bis zur Lautsprecherbox als Ganzes erhalten. Übernahmeverzerrungen, wie sie beim üblichen Gegentaktbetrieb zwangsläufig auftreten, sind im Single-Ended-Betrieb absolut ausgeschlossen.“

Das Resultat: Der Verstärker klingt von geringen bis in hohe Lautstärken immer gleich gut und feinzeichnend, seine Wiedergabe ist glasklar und luftig, nuancenreich und dynamisch. An sich dürften viele Gitarristen die Single-Ended-Technik und ihre klanglichen Vorzüge kennen, schließlich sind diverse Single-Ended-Verstärker auf dem Markt erhältlich. Die allerdings haben meist nur eine sehr geringe Ausgangsleistung und sind dadurch nur bedingt livetauglich. Der Eruption bringt den Single-Ended-Sound nun auf die Bühnen – und zwar auch die ganz großen.

Vollbedienung
Anders als bei den meisten Röhrenamps arbeiten die Equalizer des Eruption nicht in herkömmlicher, passiver Bauweise. Preuß und König entwickelten eine aktive LC-Klangregelung in Röhrentechnik, die starke Anhebungen und Absenkungen ermöglicht und enorm effiziente und differenzierte Eingriffe in den Frequenzgang erlaubt. Obendrein wurden die Filter für jeden einzelnen Kanal als steckbare Elemente ausgeführt, die man sich auf Wunsch in der Soundwerkstatt der Berliner modifizieren lassen kann.
Es ist an dieser Stelle kaum möglich, alle Features des Eruption angemessen zu würdigen. So viel sei aber gesagt: Der Eruption wurde mit viel Liebe zum Detail konzipiert, besteht nur aus hochwertigen und äußerst robusten Komponenten und hat wohl alles an Bord, was professionelle Gitarristen sich wünschen könnten. Ob das der Tuner-Ausgang ist, der sich per Fußschalter aktivieren lässt und gleichzeitig den Verstärker stummschaltet, ob es die drei Tragegriffe sind, die den Transport halbwegs erträglich gestalten, ob es das Heavy-Duty-Fußpedal ist, das statt per Spezialkabel mit einem gewöhnlichen Mikrofonkabel angeschlossen wird – hier waren Leute am Werk, die den Bühnenalltag bestens kennen.

Neben einem Master-Effektweg bietet der Eruption vier weitere Effektwege. Einen für die Clean- und einen für die Crunch-Sektion, sowie jeweils einen für die zwei Lead-Kanäle. Da bieten sich eine Menge Optionen! Klasse ist außerdem, dass man am Fußpedal vorm eigentlichen Kanalwechsel quasi eine Vorauswahl für die Effektwege treffen kann, denn die lassen sich allesamt per Fuß ein- und ausschalten.

Amp der Extreme
Klanglich bietet der Eruption eine so enorme Vielfalt, wie sie für einen analogen Röhrenamp normalerweise kaum denkbar ist. Jeder der sechs Kanäle hat einen etwas anderen Grundsound, der sich mit der extrem effektiven Klangregelung zudem in sehr unterschiedliche Richtungen weiter verbiegen lässt. Von kristallklaren Clean Sounds bis hin zu sahnigen Gain-Orgien in den Lead-Kanälen, von mittig-knalligen Crunch Sounds bis hin zum satten Classic-Rock-Brett oder von komprimierten, angezerrten Blues Sounds bis hin zur modernen, in den Mitten kräftig ausgehöhlten Metal-Abteilung – es gibt eigentlich nichts, was der Eruption nicht kann.
Wer möchte, kann die Kanäle des Amps so einstellen, dass sie klanglich nah beieinander liegen und mit unterschiedlichen Gain-Abstufungen wie aus einem Guss klingen. Möglich ist es jedoch auch, die Extreme des Eruption voll auszuspielen und aus ihm klanglich sechs vollkommen unterschiedliche Amps zu machen, die eine enorme stilistische Bandbreite abdecken.

Etwas gewöhnungsbedürftig sind die Equalizer des Eruption, denn die arbeiten komplett anders, als man es von den meisten Amps kennt. Schon kleine Reglerbewegungen können starke Veränderungen mit sich bringen – wer mit dem Eruption „seinen“ Sound finden will, braucht am Anfang etwas Geduld. Hilfreich ist es zudem, eine klare Vorstellung davon zu haben, wo man klanglich hin möchte.

Wer sich darauf einlässt, den belohnt der Eruption mit einem einzigartig druckvollen, differenzierten Sound. Ganz eindeutig macht auch die Endstufe hier ihren positiven Einfluss geltend. Obschon der Eruption auch traditionelle Gitarrensounds zu seinem Repertoire zählt, liegen seine Stärken meiner Meinung nach hauptsächlich in den stark verzerrten Hi-Gain-Sounds, die er mit unglaublicher Lebendigkeit, Dynamik und Armut an Nebengeräuschen präsentiert. Das muß man gehört haben! Da der Eruption brandneu ist und bislang nur als (voll ausgereifter) Prototyp in zweifacher Ausführung vorliegt, ist es derzeit allerdings nicht ganz einfach, ein Exemplar ans Gitarrenkabel zu bekommen. Also: Abstecher nach Berlin einplanen…     




Veröffentlicht in der „Grand Guitars“, 4.2012 Juli/August; Seite 138-140